Sechsfach-Impfung auch bei Hörstörung?
1. November 2018
Sehr geehrte Damen und Herren,
bei meinem Kind (5 Monate alt) ist wenige Tage nach der Geburt eine einseitige Hörstörung (Verdacht auf Surditas/Schwerhörigkeit) festgestellt worden. Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen wurde 1x Infanrix hexa Emra sowie gegen Pneumokokken geimpft. Die zweite Impfung soll in den nächsten Tagen erfolgen, diesmal mit einem Sechsfach-Impfstoff der Firma Orifarm (da Emra z.Zt. nicht lieferbar).
Im Rahmen einer Internetrecherche habe ich nun festgestellt, dass beide Impfstoffe die ototoxischen Antibiotika Neomycin und Polymyxin B enthalten, welche im Herstellungsprozess verwendet werden. Laut Hörakustiker sind Nachreifungsprozesse des Gehörs bei Kindern möglich, z.B. auch durch Stimulation mit Hilfe eines Hörgeräts. Diese mögliche Nachreifung möchte ich nicht gefährden. Bitte teilen Sie mir mit, ob eine ototoxische Wirkung o.g. Antibiotika möglich sind (auch wenn diese ggf. nur in Spuren enthalten sind).
Meine zweite Frage bezieht sich auf den Impfabstand der o.g. Sechsfach-Impfung. Laut Internetrecherche sollte keine Unterschreitung der Impfabstände erfolgen. Kann ich daraus schlussfolgern, dass die zweite Impfung dann auch nach einem längeren Abstand erfolgen kann. Falls ja, wie lange darf dieser sein und wie lange dauert dann der Aufbau des Impfschutzes/ der Immunität oder besteht dieser bereits/ womöglich nach einmaliger Impfung?
Herzlichen Dank im Voraus für Ihre Antwort.
Das Antibiotikum Neomycin kann ototoxisch wirken, das heißt zu Schädigungen des Innenohrs führen. Polymyxine können schädigend auf Nerven und Nieren (neuro- und nephrotoxisch) wirken. Diese Substanzen werden zwar im Herstellungsprozess des von Ihnen genannten Sechsfach-Impfstoffs verwendet, können jedoch allenfalls in Spuren im Impfstoff enthalten sein.
Bei einer Allergie gegen Neomycin oder Polymyxin darf der Sechsfach-Impfstoff nicht angewendet werden. Hörstörungen zählen dagegen nicht zu den Gegenanzeigen, bei denen der Sechsfach-Impfstoff nicht angewendet werden dürfte oder bei denen besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich wären. Beeinträchtigungen des Hörvermögens oder Schädigungen des Innenohrs wurden laut Fachinformation bei der Erfassung der Nebenwirkungen des Sechsfach-Impfstoffs weder in klinischen Studien noch während der Anwendung nach der Markteinführung beobachtet.
Zum Aufbau eines vollständigen Impfschutzes gegen Tetanus, Diphtherie, Polio (Kinderlähmung), Pertussis (Keuchhusten), Haemophilus influenzae Typ b (Hib) und Hepatitis B mit Sechsfach-Impfstoff sind mehrere Teilimpfungen erforderlich. Um einen möglichst frühen Impfschutz zu erreichen, empfiehlt die Ständige Impfkommission STIKO ein 3+1-Impfschema mit drei Impfungen im Abstand von einem Monat im Alter von zwei, drei und vier Monaten sowie mindestens sechs Monate später mit elf bis 14 Monaten (Impfkalender siehe gesundes-kind.de/…/). Gemäß Zulassung von Infanrix hexa ist für Reifgeborene auch ein 2+1-Schema möglich, wobei zwischen den ersten beiden Impfungen mindestens zwei Monate und bis zur dritten Impfung weitere sechs Monate liegen sollten (bei anderen Sechsfach-Impfstoffen sollte der Abstand zwischen den beiden ersten Impfungen nach dem 2+1-Schema mindestens einen Monat betragen).
Die empfohlenen Impfabstände sollten nicht unterschritten werden, da sonst die Wirksamkeit nicht gewährleistet ist (rki.de/…/FAQ04.html?nn=2391120). Eine Impfung in längeren Abständen als empfohlen ist möglich. Grundsätzlich gibt es keine unzulässig großen Abstände zwischen den Teilimpfungen und auch nach einer längeren Unterbrechung müsste die Impfserie nicht neu begonnen werden (rki.de/…/FAQ11.html?nn=2391120). Allerdings ist zu beachten, dass bei einer späteren Impfung auch der Impfschutz entsprechend später einsetzt. Eine Ansteckung mit Keuchhusten oder Hib wäre aber gerade im Säuglingsalter gefährlich.
Ein vollständiger und lang anhaltender Impfschutz wird erst nach Abschluss der Impfserie erreicht. Laut Fachinformationen zu Infanrix hexa (ema.europa.eu/…/infanrix-hexa) hatten Studien zufolge bei Impfungen nach dem 3+1-Schema einen Monat nach der dritten Dosis mindestens 95,7 % der Kinder Antikörper gegen jedes der Impfstoff-Antigene entwickelt. Nach der vierten Dosis hatten nach einem Monat mindestens 98,4 % der Kinder Antikörper gegen jedes der Impfstoff-Antigene gebildet. Bei Impfung nach dem 2+1-Schema hatten einen Monat nach der zweiten Dosis mindestens 84,3 % der Kinder Antikörper gegen jedes der Impfstoff-Antigene entwickelt. Einen Monat nach Abschluss der Impfserie wiesen 97,9 % der Kinder Antikörper gegen jedes der Impfstoff-Antigene auf. Aussagen zum individuellen Impfschutz eines Geimpften lassen sich daraus nicht ableiten.
Bitte lassen Sie sich zu den anstehenden Impfungen für Ihr Kind individuell von Ihrem Kinderarzt/Ihrer Kinderärztin beraten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Gesundes-Kind-Team

Unser Expertenrat vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin an der Universitätsmedizin Mainz beantwortet Ihre Fragen zum Thema Impfschutz für Kinder.