Spracherwerb: Schon Babys haben Sprachgedächtnis

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Wer eine Fremdsprache erlernt, weiß, wie mühsam es ist, sich Wortschatz und Grammatik anzueignen. Doch bereits Kleinkindern gelingt der Erwerb der Erstsprache scheinbar mühelos.
Gedächtnis für grammatische Beziehungen bereits im Babyalter
Kinder sind früh in der Lage, sich die korrekten Bezeichnungen für Dinge und Ereignisse zu merken und auch zu lernen, wie Wörter nach den Regeln ihrer Sprache kombiniert werden. Ein Forscherteam hat nun herausgefunden, dass schon sechs bis acht Monate alte Babys regelhafte Beziehungen zwischen sprachlichen Elementen erkennen und im Gedächtnis speichern können [1].
In der Studie [2] wurde die Hirnreaktion von 85 Babys aus deutschsprachigen Familien gemessen, während diese in einer Lernphase und in einer Testphase, die eine Stunde später stattfand, italienische Sätze hörten. In der Testphase wurden den Babys neben den in der Lernphase gehörten Sätzen auch neue sowie falsche Kombinationen präsentiert. Das Ergebnis: Die Hirnreaktionen auf die richtigen und die falschen Kombinationen unterschieden sich deutlich, und zwar sowohl bei den bereits bekannten als auch bei den neuen Kombinationen. Daraus schloss das Forscherteam, dass das kindliche Gehirn bereits in diesem Alter Beziehungen zwischen sprachlichen Elementen im Gedächtnis speichern und sogar verallgemeinern kann.
Die Sprechfreude unterstützen
Vom ersten Lebenstag an kommuniziert das Neugeborene mit der Umwelt, indem es beispielsweise schreit oder weint.
Ab dem Alter von rund sechs Monaten beginnen Babys, zu plappern und mehrsilbige Lautketten wie „dei-dei-dei“ zu bilden und lernen bald, erste Wörter zu verstehen. Um den ersten Geburtstag können viele Kinder Wörter wie Mama und Papa gezielt verwenden. Ihr Wortschatz vergrößert sich dann rasch. Manchen Kindern gelingt es schon ab dem Alter von 15 Monaten, den meisten aber spätestens mit zwei Jahren, Zweiwortsätze zu bilden [3].
Es ist zwar nicht nötig, Kindern das Sprechen „beizubringen“. Doch Ihr Kind braucht für seine sprachliche Entwicklung Anregung und Ermunterung. Der Spracherwerb beginnt lange, bevor Ihr Kind tatsächlich spricht. Von Geburt an beseht eine besondere Vorliebe für die menschliche Stimme. Verwöhnen Sie Ihr Baby daher von Anfang an mit Sprache [4]:
- Sprechen Sie mit Ihrem Baby, singen Sie ihm vor und versuchen Sie, es mit dem Klang Ihrer Stimme zu beruhigen oder zu ermuntern.
- Erzählen Sie in kindegerechten, einfachen Worten und kurzen Sätzen, was Sie gerade tun, zum Beispiel „Papa nimmt dich jetzt auf den Arm“.
- Fassen Sie in Worte, was Ihr Baby wahrnimmt, beispielsweise „Der Teddy hat ein ganz weiches Fell“.
- Lieder, Reime und Fingerspiele machen bereits Babys großes Vergnügen – besonders, wenn sie immer wieder wiederholt werden.
- Schauen Sie mit Ihrem Kind schon im ersten Lebensjahr einfache Bilderbücher an und beschreiben Sie, was dort zu sehen ist.
- Wenn Ihr Kind zu sprechen beginnt, lassen Sie es auf seine Weise plappern oder reden. Hören Sie aufmerksam zu und gehen Sie geduldig darauf ein. Korrigieren Sie kleine Fehler möglichst beiläufig, indem Sie das Gesagte richtig wiederholen.
Jedes Kind ist anders und lernt in seinem eigenen Tempo. Ihre Kinderärztin oder Ihr Kinderarzt wird bei den U-Untersuchungen prüfen, ob sich die Sprachentwicklung Ihres Kindes im altersgemäß üblichen Rahmen bewegt, wird aber auch zwischendurch ein offenes Ohr für Ihre Fragen und Sorgen rund um den Spracherwerb haben.
Quellen:
[1] Babys bilden Gedächtnis für grammatische Beziehungen. Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig (02.01.2023)
[2] Friedrich M. et al.: Memory for nonadjacent dependencies in the first year of life and its relation to sleep. Nat Commun 2022; 13: 7896. doi.org/10.1038/s41467-022-35558-x
[3] Jenni O.: Meilen- und Grenzsteine der Entwicklung. Monatsschr Kinderheilkd 2022; 170: 651–662. doi.org/10.1007/s00112-022-01547-z
[4] Die Sprechfreude des Babys anregen. Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (zuletzt abgerufen am 27.01.2023)